I. Dogmatische Einteilung
a) Grundrechte i.e.S. (Artt. 1-19, einschl. zugehöriger Regelungen wie etwa Artt. 17a, 18, 19
Abs. 1-3
GG)
- Differenzierung nach den Grundrechtsträgern (Menschen- u.
Freiheitsrechte, Deutschenrechte; s.u. § 3.I)
b) grundrechtsgleiche Rechte (vgl. die Aufzählung in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a: Artt. 20 Abs. 4, 33,
38, 101, 103, 104 GG)
c) nicht: Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG, aber sie sind mit Grundlage
vieler verfahrensrechtlicher Rechtspositionen bzw. staatlicher Leistungen
d) nicht: Staatszielbestimmungen Art. 20a GG (siehe auch Präambel, Artt. 1 Abs. 1 u. 2,
3 Abs. 2 u. 3; 14 Abs. 3 S. 1; 23 Abs. 1 S. 1, 24 Abs. 2, 109 Abs. 2 GG [Vereintes Europa,
Friedenssicherung, Wahrung der Menschenrechte, Internationale Zusammenarbeit ...]), aber Teil der
verfassungsrechtlichen Werteordnung
II. Systematische Einteilung der Grundrechte (nach Jörn Ipsen, Staatsrecht II)
I. Die Grundrechte begründen sog. subjektiv-öffentliche Rechte, das
heißt
- sie räumen den Grundrechtsträgern (als Rechtssubjekten, deshalb: subjektives
Recht)
- gegenüber den Grundrechtsadressaten (Normadressat ist hier in der Regel die staatliche
Gewalt)
- entsprechend den jeweiligen Grundrechtsinhalten bestimmte Ansprüche ein
(und weisen insofern einen dreigliedrigen Normgehalt auf, indem sie die Frage beantworten, "wer" "von
wem" "was" verlangen kann).
Als subjektive Rechte bezeichnet man allgemein die dem einzelnen gegenüber einem anderen zustehenden rechtlichen Ansprüche (nämlich von diesem ein Tun oder Unterlassen fordern zu können, vgl. § 194 Abs. 1 BGB), hingegen meint der Begriff des objektiven Rechts die Gesamtheit der geltenden und damit die Normadressaten bindenden Rechtsnormen (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG).
II. Entsprechend der unterschiedlichen Berechtigungen, die die Grundrechte dem einzelnen
vermitteln können, werden im Anschluß an die Statuslehre von Georg Jellinek
(System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl. 1905) meist drei Zustände (lat.
status) oder Funktionen der Grundrechte als Freiheitsrechte unterschieden,
nämlich
Ausgehend von der Unterscheidung der subjektiv-rechtlichen und objektiv-rechtlichen (s.o.)
Wirkungen der Grundrechte läßt sich etwa mit Klaus Stern (Staatsrecht III/1,
§§ 66 ff bzw. Staatsrecht III/2, § 96) folgende Gliederung der Grundrechte
und ihrer Funktionen (Wirkungsweisen) vornehmen:
1. Subjektiv-rechtliche Wirkungen
a) Abwehrrechte
b) Leistungsrechte (Teilhabe-, Schutzrechte)
c) Mitwirkungsrechte
d) Bewirkungsrechte
2. Objektiv-rechtliche Wirkungen
a) Einrichtungsgarantien
b) Ausstrahlungswirkungen
c) Schutzpflichten
d) Organisations- und Verfahrensgehalte
I. Grundrechtsträgerschaft oder Grundrechtsberechtigung meint die Fähigkeit, Rechtsträger oder Zuordnungsobjekt von Grundrechten zu sein. Grundrechtsträger ist zunächst jede geborene natürliche Person, darüber hinaus können einzelne Grundrechtspositionen auch noch nicht geborenen Personen (Embryonen) oder Toten zukommen, so insbesondere der Schutz vorgeburtlichen Lebens und der Schutz der Menschenwürde (bzw. des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts) werdenden Lebens sowie Verstorbener.
Von der Grundrechtsträgerschaft ist zu unterscheiden die sog. Grundrechtsmündigkeit, d.h. die Fähigkeit eines Grundrechtsträgers, die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter, Freiheiten und Rechte selbst verfahrensrechtlich wahrnehmen zu können; hierfür ist auf die Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit des einzelnen abzustellen (für die Religionsfreiheit siehe etwa § 5 RelKErzG [= Gesetz über die religiöse Kindererziehung]).
Man unterscheidet je nach Inhaberschaft die
Keine Grundrechtsträger sind ausländische juristische Personen und
Personenvereinigungen, sofern diese
nicht kraft (europäischen) Gemeinschaftsrechts im Rahmen der Anwendung desselben durch die
Mitgliedstaaten wie inländische Vereinigungen zu behandeln sind (s.o.). Doch stehen auch
ausländischen
Personenmehrheiten die juristischen Verfahrensgrundrechte der Artt. 19 Abs. 4, 101 Abs. 1, 103 Abs. 1
GG zu.
Ausländisch ist eine Vereinigung, wenn sie ihren Sitz, d.h. den
tatsächlichen Mittelpunkt der Tätigkeit, nicht im Bundesgebiet hat bzw. wenn sie von
Ausländern beherrscht wird.
Fraglich ist, ob der einzelne Berechtigte auf seine Grundrechte als subjektive (Freiheits-)Rechte
verzichten kann: Während er von deren Ausübung absehen (vgl. Art. 16 Abs. 1 GG) oder
begrenzt auch in einzelne Grundrechtsbeeinträchtigungen einwilligen kann (s.u. § 4.III), so
ist doch ein Grundrechtsverzicht nach h.M. nicht generell und auch nicht bei allen
Grundrechten möglich (er scheidet etwa bei Art. 1 Abs. 1 GG sowie hinsichtlich der objektiven
Grundrechtswirkungen aus), im übrigen kommt es auf die Intensität des Eingriffs und den
Zeitraum des Verzichts an.
II. Grundrechtsverpflichtete oder Grundrechtsadressaten sind die Träger deutscher öffentlicher Gewalt, also die Legislative, die Exekutive (auch Beliehene, die als Private öffentliche Aufgaben wahrnehmen) und die Judikative (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG); nicht grundrechtsverpflichtet sind zwischenstaatliche, supranationale und internationale Organisationen.
Die Grundrechtsbindung erstreckt sich auch auf sog. besondere Gewaltverhältnisse
(Sonderstatusverhältnisse), wie sie etwa bei Beamten, Schülern oder
Strafgefangenen (s. BVerfGE 33, 1 - Strafgefangene; 39, 334 [366 f] - Radikale) bestehen.
III. Wie oben bereits gezeigt, gelten die Grundrechte gegenüber dem Staat (s. Art. 1 Abs. 3 GG), nicht gegenüber Privaten (außer wenn diese als Beliehene selbst punktuell öffentliche Gewalt ausüben). Eine sog. unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte besteht nach h.M. grundsätzlich nicht (a.A. BAGE 1, 185 [193 f]); Ausnahmen enthalten jedoch Artt. 9 Abs. 3 S. 2, 20 Abs. 4, 38 Abs. 1 S. 1 i.V.m. 48 Abs. 1 u. 2 GG. Da allerdings der Gesetzgeber und auch die Rechtsprechung an die Grundrechte gebunden sind, kommen die Grundrechte in den Privatrechtsverhältnissen über die zwingenden Normen des Privatrechts, ferner bei der (richterlichen) Rechtsanwendung, insbesondere über die Generalklauseln und Blankettbegriffe insofern zum Tragen, als eine grundrechtskonforme und -orientierte Auslegung entsprechend den objektiven Wertungen der Gesamtrechtsordnung erfolgen muß; man spricht deshalb von einer mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte kraft der Ausstrahlung der Grundrechte auf das bürgerliche Recht (s. BVerfGE 7, 198 [205] - Lüth; 89, 214 [229 f, 232, 234] - Bürgschaft).
Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang darauf, daß die bundesverfassungsgerichtliche
Kontrolldichte fachgerichtlicher Entscheidungen begrenzt ist: das Bundesverfassungsgericht stellt
keine Supertatsachen- oder -revisionsinstanz dar. Es beschränkt sich bei der
Überprüfung fachgerichtlicher Entscheidungen auf die Prüfung, ob sie "auf einer
grundsätzlich unrichtigen Anschauung von Bedeutung und Reichweite eines Grundrechts beruhen
oder willkürlich sind" und somit
durch die Fachgerichte "spezifisches Verfassungsrecht" verletzt wurde (BVerfGE 18, 85
[92 f, 95] -
spezifisches Verfassungsrecht). Dies ist der Fall, wenn (1) der Einfluß der Grundrechte ganz oder
doch grundsätzlich verkannt wird, (2) die Rechtsanwendung grob und offensichtlich
willkürlich ist
oder (3) die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung überschritten werden; die Kontrolldichte
nimmt dabei mit der Intensität des fraglichen Grundrechtseingriffs zu, ebenso wenn die Verfassung
selbst den entscheidenden Maßstab für die fachgerichtliche Entscheidung abgibt.
Soweit durch staatliches Handeln (z.B. eine Ermittlungsmaßnahme) der Schutzbereich eines Grundrechts betroffen, in diesen "eingegriffen" wird, bedarf dies wegen des verfassungsrechtlichen Vorbehalts des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) besonderer Rechtfertigung. Es ist somit zu prüfen, ob der Eingriff in den grundrechtlichen Schutzbereich durch besondere oder allgemeine Grundrechtsschranken bzw. durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt ist. Als konkrete Rechtfertigungsgrundlagen für strafprozessuale bzw. polizeirechtliche Grundrechtseingriffe dienen dabei die auf sog. Gesetzesvorbehalten gründenden strafprozessualen und polizeirechtlichen Einzelermächtigungen oder die Generalklauseln der Strafverfahrens- (§§ 161 Abs. 1, 163 Abs. 1 StPO; beachte hierbei aber den Grundsatz der fragmentarischen Zwangsbefugnisse im Strafverfahren) bzw. Polizeigesetze (z.B. §§ 1, 3 bw. PolG/sächs. PolG). Hierbei ist, auch im Wege der Schranken-Schranken-Prüfung, die Rechtmäßigkeit der strafprozessualen bzw. polizeirechtlichen Schrankenziehung im Einzelfall festzustellen. Auf diese Weise soll jeweils ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen einerseits den individuellen Menschenrechten und Grundfreiheiten sowie andererseits der staatlichen Aufgabe einer effektiven Gefahrenabwehr bzw. Strafverfolgung, auch zur Gewährleistung der Rechtsordnung und der Sicherheit der Bevölkerung, geschaffen werden. Einer besonderen Eingriffsrechtfertigung bedarf es allerdings dann nicht, wenn der einzelne (wirksam) auf den grundrechtlichen Schutz verzichtet hat, etwa indem er in die Durchführung einer polizeilichen Eingriffsmaßnahme eingewilligt hat.
I. Eingriffsbegriff
Ein Grundrechtseingriff ist jede durch die deutsche Staatsgewalt in zurechenbarer Weise
verursachte
nachteilige Beeinträchtigung des durch den Schutzbereich erfaßten Schutzgegenstandes.
Dabei läßt sich
der "klassische" Grundrechtseingriff als einseitige, verbindliche Verhaltensanordnung
gegenüber einem
Adressaten definieren, durch die final (= zielgerichtet) und unmittelbar ein grundrechtlich
geschütztes
Rechtsgut überwiegend nachteilig in erheblicher Weise beeinträchtigt wird. Mit der
Ausprägung des
modernen sozialen Rechtsstaats hat sich der vom liberalen Grundrechtsverständnis
beeinflußte klassische
Eingriffsbegriff als zu eng erwiesen, da er dem Staat zuzurechnende faktische Grundrechtseingriffe sowie
sonstige mittelbare Grundrechtseingriffe oder Drittbeeinträchtigungen nicht erfaßt. Er
muß somit erweitert werden zum "modernen" Eingriffsbegriff, der jedes staatliche Handeln
umfaßt, das dem einzelnen ein
Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich
macht,
gleichgültig ob diese Wirkung final oder unbeabsichtigt, unmittelbar oder mittelbar, rechtlich oder
tatsächlich (faktisch, informal), mit oder ohne Befehl und Zwang erfolgt. Dabei muß diese
Wirkung von
einem zurechenbaren Verhalten der öffentlichen Gewalt ausgehen. Keine Eingriffe
stellen bloße Unbequemlichkeiten oder Lästigkeiten dar.
II. Gesetzesvorbehalt und sog. Grundrechtsschranken
Während der sog. "Vorbehalt des Gesetzes" nach Art. 20 Abs. 3 GG als rechtsstaatliche und demokratische Legitimationsanforderung staatlichen Handelns festlegt, daß in "grundlegende Bereiche" (so insbesondere in "Freiheit und Eigentum") nur aufgrund eines förmlichen und hinreichend bestimmten Gesetzes eingegriffen werden darf,
handelt es sich bei dem sog. "Gesetzesvorbehalt" um eine besondere Ausprägung
dieses Vorbehalts des Gesetzes, und zwar um jenen zur Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen durch
die Ziehung von sog. Grundrechtsschranken. Diese sehen regelmäßig eine
Einschränkung "durch oder auf Grund eines Gesetzes" (bzw. - was dasselbe meint - nur "auf
Grund eines Gesetzes") vor, d.h. unmittelbar durch ein förmliches Gesetz oder auf Grund eines
solchen (als Ermächtigungsgesetz i.S.d. Art. 80 GG) durch untergesetzliche Normen oder
Verwaltungsakte.
Man unterscheidet
- die sog. einfachen Gesetzevorbehalte (z.B. Artt. 2 Abs. 2 S. 3; 8 Abs. 2 GG) und
- die sog. qualifizierten Gesetzesvorbehalte, die eine Beschränkung des Grundrechts nur
bei bestimmten
Situationen, zu bestimmten Zwecken oder durch bestimmte Mittel zulassen (z.B. Artt. 6 Abs. 3; 11
Abs. 2 GG). (Sie sind abzugrenzen zu den sog. Regelungsvorbehalten zur
Inhaltsbestimmung bzw. näheren Ausgestaltung eines Grundrechts, z.B. Art. 14 Abs. 1 S. 1
GG.);
- daneben treten die Grundrechte ohne Gesetzesvorbehalt.
Auch bei den schrankenlos gewährleisteten Grundrechten (z.B. Art. 5 Abs. 3 GG) kommt nach h.M. eine Grundrechtsbeschränkung in Betracht, allerdings sind "nur kollidierende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte ... mit Rücksicht auf die Einheit der Verfassung und die von ihr geschützte gesamte Wertordnung ausnahmsweise imstande, auch uneinschränkbare Grundrechte in einzelnen Beziehungen zu begrenzen. Dabei auftretende Konflikte lassen sich nur lösen, indem ermittelt wird, welche Verfassungsbestimmung für die konkret zu entscheidende Frage das höhere Gewicht hat ... Die schwächere Norm darf nur so weit zurückgedrängt werden, wie das logisch und systematisch zwingend erscheint; ihr sachlicher Grundwertgehalt muß in jedem Fall respektiert werden." (BVerfGE 28, 243 [261] - Kriegsdienstverweigerung). Bei der demnach vorzunehmenden fallbezogenen Güter- und Interessenabwägung, die auch als Herstellung praktischer Konkordanz bezeichnet wird, ist ein verhältnismäßiger Ausgleich der gegenläufigen, gleichermaßen verfassungsrechtlich geschützten Interessen mit dem Ziel ihrer Optimierung zu suchen. Durch das Bundesverfassungsgericht werden als "andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte" auch die grundgesetzlichen Kompetenzbestimmungen (Artt. 73-75 GG) herangezogen (was nicht unbedenklich ist).
Bei jeder Schrankenziehung sind die sog. Schranken-Schranken zu beachten: Dazu
zählen zunächst die Bestimmungen des Art. 19 Abs. 1 GG, ferner der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, d.h. die Geeignetheit,
Erforderlichkeit und Angemessenheit (= Verhältnismäßigkeit i.e.S.) der
Schrankenziehung, sowie die
sog. Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG.
III. Exkurs: Die Einwilligung des Betroffenen (Grundrechtsverzicht)
Das Gesetz stellt teilweise bei den Eingriffsmaßnahmen darauf ab, daß diese "ohne Einwilligung" des Beschuldigten erfolgen (etwa § 81a StPO), woraus sich ergibt, daß dessen freiverantwortliche Einwilligung (nicht bloß die Hinnahme des Eingriffs) eine Rückbeziehung der Eingriffsmaßnahme auf die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung erübrigt. Allgemein wird daher eine gesetzliche Eingriffsermächtigung bei Vorliegen einer wirksamen Einwilligung des Betroffenen in die Maßnahme für entbehrlich gehalten, so daß so auch weitergehende, anderenfalls mangels einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage unzulässige Eingriffe ermöglicht werden. Die Einwilligung hat somit die Bedeutung eines Grundrechtsverzichts im Einzelfall (Verzicht auf Abwehr-/Unterlassungsanspruch) im Sinne des Grundsatzes "volenti non fit iniuria" - allerdings nur, soweit der Einwilligende über das "Ob" (und ggf. auch "Wie") der Maßnahme selbst entscheidet (was in dem dem Legalitätsprinzip verpflichteten Strafverfahrensrecht selten der Fall sein wird; so aber z.B. bei freiwilligen Speicheltests im Rahmen von sog. Massenuntersuchungen, dort gilt nun jedoch gerade bei freiwilliger Teilnahme § 81h StPO).
Die Wirksamkeit der Einwilligung richtet sich nach den selben Voraussetzungen wie bei der materiellrechtlichen Rechtfertigung (bzw. nach a.A. dem Tatbestandsausschluß) einer strafbaren (tatbestandsmäßigen) Handlung (vgl. § 228 StGB nF), insbesondere darf der Eingriff (unter Mitberücksichtigung seines Zwecks), etwa wegen besonderer Gefährlichkeit oder Verstoßes gegen verfahrensrechtliche Grundsätze bzw. die Menschenwürde, nicht "sittenwidrig", d.h. als solches unzulässig und damit der individuellen Disposition entzogen sein:
Die Einwilligung ist jederzeit frei widerruflich (was bis dahin ermittelt ist, bleibt aber im Strafverfahren verwertbar).
Einwilligungsmängel liegen somit insbesondere vor bei
Einwilligungsunfähigkeit, fehlender Dispositionsbefugnis und fehlender Willensfreiheit (etwa bei
Verstoß gegen § 136a StPO); eine nachträgliche
Genehmigung macht eine rechtswidrige Maßnahme zwar nicht rechtmäßig, kann aber
u.U. die Verwertung der erlangten Beweismittel ermöglichen (vgl. die sog.
Widerspruchslösung bei Belehrungsmängeln).
I. Schutzbereich der Grundrechtsgewährleistung
Wird durch das (staatliche) Handeln der Schutzbereich eines Grundrechts (bzw.
eines verfassungsrechtlich verbürgten Menschenrechts oder einer Grundfreiheit)
betroffen?
II. Grundrechtsbeeinträchtigung (Eingriff)
Wird durch die Maßnahme d(ies)er Schutzbereich beeinträchtigt,
d.h. wird in ihn "eingegriffen"? (In der Regel geht es bei
polizeilichen (Zwangs-)Maßnahmen um (klassische) Eingriffe in
Abwehrrechte.)
Hier ist zu klären,
III. Grundrechtsschranken (Eingriffsrechtfertigung)
Ist d(ies)er Eingriff in den Schutzbereich durch besondere oder allgemeine
Grundrechtsschranken oder durch kollidierendes
Verfassungsrecht gerechtfertigt?
Anhang: Prüfung einer verfassungsrechtlichen Schutzpflicht
I. Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG
Mit der Menschenwürde (als oberstem Wert des Grundgesetzes und tragendem Konstitutionsprinzip) ist der soziale Wert und Achtungsanspruch des Menschen verbunden, der es verbietet, ihn zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt. Jedem Menschen ist sie eigen ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seine Leistungen und seinen sozialen Status. Verletzbar ist der Wert und Achtungsanspruch, der sich aus ihr ergibt.
Aufgabe: Achtung und Schutz der Menschenwürde gehören als Reaktion auf die nationalsozialistischen Verbrechen zu den tragenden Konstitutionsprinzipien der Verfassung (vgl. Art. 79 Abs. 3 GG), die "freie menschliche Persönlichkeit und ihre Würde stellen den höchsten Rechtswert innerhalb der verfassungsgemäßen Ordnung dar" (BVerfGE 45, 187 [227] - Lebenslange Freiheitsstrafe). Sie kommt jedem zu, "ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seine Leistungen und seinen sozialen Status" (BVerfGE 87, 209 [228] - § 131 StGB), unerheblich ist auch, "ob der Träger sich dieser Würde bewußt ist und sie selbst zu wahren weiß" (BVerfGE 39, 1 [41] - Schwangerschaftsabbruch I). Somit kann man seine Menschenwürde auch nicht verlieren oder verwirken. Die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde ist nicht nur objektives Recht, sondern vermittelt nach h.M. auch ein subjektives Recht des einzelnen.
Grundrechtsinhalt: Was genau der Inhalt des Begriffs der Menschenwürde ist, läßt sich abstrakt kaum definieren, weshalb versucht worden ist, die Menschenwürde vom Verletzungsvorgang her zu umschreiben, nämlich in Anschluß an Dürig mit der sog. Objektformel. Danach ist die Menschenwürde "getroffen, wenn der konkrete Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabgewürdigt wird" (Dürig in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 [Erstbearbeitung] Rn 28). "Mit der Menschenwürde als oberstem Wert des Grundgesetzes und tragendem Konstitutionsprinzip ist der soziale Wert und Achtungsanspruch des Menschen verbunden, der es verbietet, ihn zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (BVerfGE 6, 32 [36, 41]; 30, 1 [26]). Jedem Menschen ist sie eigen ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seine Leistungen und seinen sozialen Status. Verletzbar ist der Wert und Achtungsanspruch, der sich aus ihr ergibt (vgl. BVerfGE 87, 209 [228]). Was die Achtung der Menschenwürde im einzelnen erfordert, kann von den jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnissen nicht völlig gelöst werden (vgl. BVerfGE 45, 187 [229]). Eine Verletzung des Achtungsanspruchs kann nicht nur in der Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung oder Ächtung von Personen (vgl. BVerfGE 1, 97 [104]), sondern auch in der Kommerzialisierung menschlichen Daseins liegen." (BVerfGE 96, 375 [399] - Kind als Schaden)
Grundrechtsschranken: Die Garantie der Menschenwürde unterliegt nach h.M. keinen Beschränkungsmöglichkeiten, auch nicht durch andere Verfassungsgüter, da ihr der höchste Rang im Grundgesetz zukommt. So stellt jeder Eingriff in den Schutzbereich zugleich eine Verletzung der Menschenwürde dar.
Grundrechtssträger sind alle natürlichen Personen; Menschenwürde
kommt (als subjektives Recht) auch
dem ungeborenen Leben zu, darüber hinaus dem Verstorbenen.
II. Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG
Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit bzw. die allgemeine Handlungsfreiheit schützt - als Auffanggrundrecht - jede Form menschlichen Handelns ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht der Betätigung für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt und garantiert somit die Freiheit des einzelnen, zu tun und zu lassen, was er will.
Aufgabe: Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt jede Form menschlichen Handelns (Tun und Unterlassen) "ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht der Betätigung für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt" (BVerfGE 80, 137 [152 f] - Reiten im Walde), soweit es nicht von dem Schutzbereich eines anderen Freiheitsrechts erfaßt wird; es ist somit (nur) ein subsidiäres (Auffang-) Grundrecht.
Grundrechtsinhalt ist die allgemeine Handlungsfreiheit im umfassenden Sinne, d.h. "die Freiheit des einzelnen, [grundsätzlich] zu tun und zu lassen, was er will"; es umfaßt etwa die Vertragsfreiheit, die Fortbewegungsfreiheit (soweit nicht von Art. 2 Abs. 2 S. 2 oder Art. 11 GG erfaßt), die Ausreisefreiheit, ferner die Selbstgefährdung und auch die Selbsttötung (str.)
Grundrechtskonkurrenzen: bloßes Auffanggrundrecht (s.o.)
Die Grundrechtsschranken werden durch die sog. Schrankentrias der Rechte
anderer, der verfassungsgemäßen Ordnung und des Sittengesetzes gezogen (das Zitiergebot
nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG findet
keine Anwendung):
- Die verfassungsgemäße Ordnung meint hier
(beachte den insoweit uneinheitlichen Sprachgebrauch des Grundgesetzes) als
verfassungsgemäße Rechtsordnung "alle formell und materiell
verfassungsgemäßen Gesetze" (BVerfGE 6, 32 [37] - Elfes, st.
Rspr.).
- Die Rechte anderer sind Bestandteil der
verfassungsgemäßen Ordnung.
- Das Sittengesetz umfaßt "alle anerkannten Wertvorstellungen unserer
Rechtsgemeinschaft" (als Anwendungsfall wurde bisher nur die Homosexualität
angesehen - fragl., BVerfGE 6, 389 [434]).
Bei der Schrankenziehung ist insbesondere auf die Verhältnismäßigkeit des
Eingriffs als Schranken-Schranke zu achten, also auf die Geeignetheit, Erforderlichkeit und
Angemessenheit des Eingriffs.
Merke, ein rechtswidriger Eingriff liegt nicht nur vor, wenn es an einer formell und materiell verfassungsmäßigen gesetzlichen Eingriffsgrundlage fehlt, sondern auch, wenn zwar ein verfassungsgemäßes Gesetz besteht, dieses aber fehlerhaft (nämlich gesetz- oder verfassungswidrig [etwa wegen Verkennens der objektiven Wertordnung der Grundrechte]) angewandt wird; somit bietet Art. 2 Abs. 1 GG umfassenden Schutz vor rechtswidrigen staatlichen Eingriffen.
Grundrechtsträger: jedermann, insbesondere kommt über Art. 2 Abs. 1 GG
Ausländern auch dort ein
Grundrechtsschutz zu, wo der Schutzbereich spezieller Freiheitsrechte auf Deutsche beschränkt ist;
auch
(inländische) juristische Personen des Privatrechts sind geschützt
III. Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Artt. 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 GG
Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht soll die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen gewährleisten, indem es jedem einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung sichert, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann.
Aufgabe des durch die Rechtsprechung aus Art. 2 Abs. 1 (i.V.m. Art. 1 Abs. 1) GG
herausgebildeten und
zu einem eigenen Grundrecht verfestigten Allgemeinen Persönlichkeitsrechts
(Abwehrrecht) ist es - im
Sinne des obersten Konstitutionsprinzips der Würde des Menschen - "die engere persönliche
Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen zu gewährleisten", die sich durch
die traditionellen
konkreten Freiheitsrechte nicht vollständig erfassen lassen, insbesondere gegenüber neuen
Gefährdungen
der Persönlichkeitsentfaltung (BVerfGE 54, 148 [153] - Eppler; 101, 361 [380] - Caroline
von Monaco).
Es schließt somit die Lücke zwischen der Allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG)
und dem
Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), indem es neben dem ersteren (als Recht auf aktive
Betätigung) dem einzelnen ein Recht gewährleistet, "in Ruhe gelassen zu werden", ohne
daß ein Eingriff zugleich eine Verletzung der Menschenwürde ("als höchstem
Rechtswert innerhalb der verfassungsgemäßen Ordnung") bedeuten muß.
Grundrechtsinhalt: Es sichert "jedem einzelnen einen autonomen Bereich privater
Lebensgestaltung, in
dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann" (BVerfGE 79, 256 [268]).
Hiernach sind insbesondere die Rechte der Selbstbestimmung (d.h. auf persönliche
Lebensgestaltung),
der Selbstbewahrung (z.B. Schutz der eigenen medizinischen Daten) und
Selbstdarstellung (z.B. Schutz
vor verfälschenden oder entstellenden Darstellungen der eigenen Person in der
Öffentlichkeit) geschützt.
Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht wurde vor allem anhand von Fallgruppen entwickelt
(und deckt sich
nicht unbedingt mit dem zivilrechtlichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts); als
Beispiele
seien genannt:
Grundrechtschranken ergeben sich nach h.M. aus Art. 2 Abs. 1 GG (Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rn 45), d.h. dessen Schrankentrias (Rechte anderer, verfassungsgemäße Ordnung, Sittengesetz; siehe dazu unten) ist anwendbar (damit greift das Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 GG nicht), wobei insbesondere deren Schranken-Schranken durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Übermaßverbot) wie auch die Rückbeziehung auf die Menschenwürde zu beachten sind (nach a.A. ist auf die engere Verwandtschaft des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zur - nach h.M. uneinschränkbaren - Menschenwürde abzustellen, was allerdings nicht bedeuten kann, daß das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, zumal als weitreichendes Grundrecht, schrankenlos gilt, vielmehr muß es zumindest durch andere Verfassungsgüter beschränkbar sein; v. Münch, StaatsR II, Rn 321).
Bei der Schrankenziehung erfolgt meist eine (mehr bildhafte, denn rechtlich aussagekräftige) Differenzierung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts entsprechend der sog. Sphärentheorie (dazu v. Münch, StaatsR II, Rn 322; Richter/Schuppert/Bumke, Casebook VerfassungsR, S. 83; s.a. BVerfGE 34, 238 - Tonband; 80, 367 - Tagebuch):
Grundrechtsträger: jedermann, beschränkt auch juristische Personen des
Privatrechts (str.)
IV. Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG
Das Recht auf Leben schützt das körperliche Dasein,
also die biologisch-physische Existenz.
Das Recht auf körperliche Unversehrtheit schützt die menschliche Gesundheit vor
Beeinträchtigungen
im biologisch-physischen Sinn wie im psychischen Bereich, aber auch allgemein die körperliche
Integrität.
Aufgabe: Das Recht auf Leben wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit wurden als Reaktion auf die nationalsozialistischen Verbrechen geschaffen, wobei das Recht auf Leben einen Höchstwert innerhalb der Verfassung darstellt (BVerfGE 39, 1 [42] - Schwangerschaftsabbruch I; 46, 160 [164] - Schleyer; 49, 24 [53] - Kontaktsperre). Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG enthält neben einem Abwehrrecht auch eine objektive Wertentscheidung, die die staatlichen Organe zum Schutz und zur Förderung der geschützten Rechtsgüter verpflichtet, gerade auch vor rechtswidrigen Eingriffen seitens anderer (umfassende staatliche Schutzpflicht, vgl. BVerfG a.a.O.).
Grundrechtsinhalt: Schutzgut ist die körperliche Integrität. Dabei schützt das Recht auf Leben das körperliche Dasein (die biologisch-physische Existenz) und das Recht auf körperliche Unversehrtheit vor Einwirkungen auf die menschliche Gesundheit im biologisch-physischen Sinn, daneben aber auch vor solchen im psychischen Bereich, soweit diese Einwirkungen körperlichen Eingriffen gleichstehen (etwa der Zufügung von Schmerzen entsprechen; BVerfGE 56, 54 [75] - Fluglärm).
Grundrechtsschranken: Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG enthält einen allgemeinen Schrankenvorbehalt und ermöglicht Eingriffe "auf Grund eines [nach h.M.: förmlichen; v. Münch, StaatsR II, Rn 342] Gesetzes", aber auch: durch ein Gesetz
Grundrechtsträger ist jede natürliche Person (auch das werdende Leben im
Mutterleib ist Träger des
Grundrechts auf Leben, h.M.).
V. Freiheit der Person, Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG (s.a. § 104 Abs. 1 u. 2 GG); Freiheitsbeschränkungen und Freiheitsentziehung, Art. 104 GG
Die Freiheit der Person schützt die körperliche Bewegungsfreiheit vor staatlichen Eingriffen und garantiert insoweit jedermann das Recht, einen bestimmten (ihm tatsächlich und rechtlich zugänglichen) Ort aufzusuchen und sich dort aufzuhalten oder ihn wieder zu verlassen.
Hinweis: Die Abgrenzung der Schutzbereiche der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Art. 104 GG) und der Freizügigkeit (Art. 11 GG - hier der freien Wahl des Aufenthaltsortes ) ist umstritten (s. dort). Überwiegend wird die Freiheit der Person im Zusammenhang mit Freiheitsbeschränkungen durch staatliche Zwangsmaßnahmen gesehen und schützt insofern (nur) vor Beschränkungen der körperlichen Bewegungsfreiheit durch die öffentliche Gewalt mittels körperlichem Zwang (Anwendung oder Androhung unmittelbaren Zwangs bzw. soweit diese sofort erfolgen könnte). Hiernach wird Art. 11 GG verdrängt, soweit Art. 2 Abs. 2 S. 2 (i.V.m. Art. 104) GG einschlägig ist.
Freiheitsbeschränkungen (Art. 104 Abs. 1 GG) sind alle
Eingriffe in die körperliche Bewegungsfreiheit (vgl. Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) seitens der
öffentlichen Gewalt, durch die jemand gegen seinen Willen daran
gehindert wird, einen (anderen) Ort oder Raum aufzusuchen, der ihm an sich (tatsächlich und
rechtlich)
zugänglich ist; dabei reicht die partielle Beschränkung, seinen Aufenthaltsort
verändern zu können, aus.
Eine Freiheitsentziehung (Art. 104 Abs. 2-4 GG; sie stellt einen Unterfall der
Freiheitsbeschränkung i.w.S. dar) liegt
vor, wenn die (tatsächlich und rechtlich an sich gegebene) körperliche Bewegungsfreiheit
durch staatliche Maßnahmen (auf einen eng umgrenzten Raum beschränkt und dort) nach
jeder Richtung hin aufgehoben wird; dabei ist nach h.M. - je nach Art der Maßnahme - auch eine
gewisse Mindestdauer
erforderlich.
Grundrechtsinhalt: Das Grundrecht der Freiheit der Person steht in der Tradition des
klassischen Menschenrechts des habeas corpus, so daß sich nach h.M. der Schutzbereich
des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG und
jener des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 104 GG decken. Während Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG den
materiellen Grundrechtsgehalt umschreibt, regelt Art. 104 - zugleich als lex specialis zu dem allgemeinen
Schrankenvorbehalt des Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG - den verfahrensrechtlichen Grundrechtsgehalt.
Zwar ist der Schutzbereich der Freiheit der Person - und dessen Abgrenzung zu jenem der
Freizügigkeit, Art. 11 GG - im einzelnen umstritten, unstreitig betrifft er aber allein den Schutz der
körperlichen Bewegungsfreiheit, und nicht den vor jeglichem staatlichem Zwang. Er wird meist
definiert als das Recht, einen bestimmten, tatsächlich und rechtlich zugänglichen Ort oder
Raum aufzusuchen (und sich dort aufzuhalten) oder ihn wieder zu verlassen (vgl. Dürig in:
Maunz/Dürig, GG, Art. 104 Rn 12; BVerfGE 94, 166 [198] - Flughafenverfahren).
Im Hinblick auf die Freiheitsbeschränkung bzw. Freiheitsentziehung i.S.d. Art. 104 GG steht dabei
die Fortbewegungsfreiheit bzw. die Hinderung, seinen Aufenthaltsort
zu verlassen, im Vordergrund.
Wird die körperliche Bewegungsfreiheit nicht in jeder, sondern nur in irgendeiner Richtung (also:
partiell) beschränkt - insbesondere weil dem einzelnen die Ausweichmöglichkeit der
Vornahme einer
staatlich gebotenen Handlung verbleibt -, so liegt nur eine Freiheitsbeschränkung (i.e.S.)
vor (so etwa bei
der körperlichen Durchsuchung [v. Münch, StaatsR II, Rn 338] oder dem Anhalten
zur Identitätsfeststellung [hier wird aber wegen der regelmäßigen
Geringfügigkeit der Beeinträchtigung ein Eingriff verneint; Kunig in: v.
Münch/Kunig, GGK I, Art. 2 Rn 78]).
Hingegen wird bei der Freiheitsentziehung die körperliche Bewegungsfreiheit umfassend
beschränkt, der einzelne gegen oder ohne seinen (natürlichen) Willen durch die
öffentliche Gewalt daran gehindert, seinen Aufenthaltsort zu verändern, weil er an einem
bestimmten, eng begrenzten Ort festgehalten wird
(zum Ganzen Dürig in: Maunz/Dürig, GG, Art. 104 Rn 5 u. 12).
Die Abgrenzung zwischen der Freiheitsbeschränkung und Freiheitsentziehung erfolgt über
die Intensität
und Dauer der Freiheitsbeschränkung (vgl. BVerfGE 105, 239 [250]; meist werden als
Grenzbereich ein
bis zwei Stunden angeführt), so daß das kurzfristige Festhalten zur
Identitätsfeststellung, die Mitnahme
zur Dienststelle (= Sistierung), eine Vorführung oder die (bloße) Anwendung unmittelbaren
Zwangs
regelmäßig nur eine Freiheitsbeschränkung darstellen, hingegen stellt jedes
Festhalten (= umfassende
Freiheitsbeschränkung) über eine mehr als kurzfristige Zeit (spätestens ab 10 bis 15
Minuten) eine Freiheitsentziehung dar, so jede (Untersuchungs-) Haft oder (auch: fürsorgerische
oder erzieherische) Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt oder in polizeilichem
Gewahrsam.
Nach h.M. schützt die Freiheit der Person "die im Rahmen der geltenden allgemeinen
Rechtsordnung
gegebene tatsächliche körperliche Bewegungsfreiheit vor staatlichen Eingriffen (vgl.
BVerfGE 94, 166
[198]; 96, 10 [21]), also vor Verhaftung, Festnahme und ähnlichen Maßnahmen des
unmittelbaren
Zwangs (vgl. BVerfGE 22, 21 [26])", beschränkt sich insofern also auf den Schutz vor der
Anwendung
oder Androhung körperlichen Zwangs bei staatlichen Zwangsmaßnahmen (abw.
Pieroth/Schlink,
GrundR, Rn 414 f). Damit läßt sich auch die Freiheit der Person von der Freizügigkeit
abgrenzen, wobei
nach h.M. Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG den Art. 11 GG verdrängt.
Nach J. Ipsen, StaatsR II, Rn 248 u. 575, 586 (m.w.N.) wird die Freiheit
der Person als Fortbewegungsfreiheit (= die natürliche Handlungsmöglichkeit, sich
von einem Aufenthaltsort wegzubewegen), die Freizügigkeit hingegen als
Hinbewegungsfreiheit definiert (= die natürliche Handlungsmöglichkeit, sich an
einen beliebigen Ort zu begeben); insoweit ergibt sich
angesichts unterschiedlicher Schutzrichtungen auch keine Grundrechtskonkurrenz.
[BVerfGE 94, 198] »Das Grundrecht des Art.2 Abs.2 Satz 2 GG schützt die
im Rahmen der geltenden allgemeinen
Rechtsordnung gegebene tatsächliche körperliche Bewegungsfreiheit vor staatlichen
Eingriffen. Sein Gewährleistungsinhalt umfaßt von vornherein nicht eine Befugnis, sich
unbegrenzt überall aufhalten und überall hin bewegen
zu dürfen. Demgemäß liegt eine Freiheitsbeschränkung nur vor, wenn jemand
durch die öffentliche Gewalt gegen
seinen Willen daran gehindert wird, einen Ort oder Raum aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten, der
ihm an sich
(tatsächlich und rechtlich) zugänglich ist (vgl. Dürig, in: Maunz/Dürig,
Grundgesetz, Art.104 Rn.12). Der Tatbestand
einer Freiheitsentziehung (Art.104 Abs.2 GG) kommt ohnehin nur in Betracht, wenn die -
tatsächlich und rechtlich
an sich gegebene - körperliche Bewegungsfreiheit durch staatliche Maßnahmen nach jeder
Richtung hin aufgehoben
wird.« (BVerfGE 94, 166 - Flughafenverfahren)
Grundrechtseingriffe stellen alle mit den Mitteln des unmittelbaren Zwangs durchsetzbaren staatlichen Maßnahmen (sog. Zwangsmaßnahmen) dar (damit stellt die polizeiliche Vorladung noch keinen Eingriff in die Freiheit der Person dar, sondern erst die mit Mitteln des unmittelbaren Zwangs durchsetzbare Vorführung; s. etwa v. Münch, StaatsR II, Rn 339; J. Ipsen, StaatsR II, Rn 255).
Es sind folgende formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der
Freiheitsentziehung zu beachten:
Grundrechtsschranken: Die Schrankenziehung muß aufgrund (auch: durch) eines förmlichen (!), hinreichend bestimmten Gesetzes (zudem ist wegen des stets mitbetroffenen Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG das Zitiergebot [Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG] zu beachten) unter Einhaltung der in der gesetzlichen Ermächtigung vorgeschriebenen formellen und materiellen Voraussetzungen erfolgen, dabei ist insbesondere auch Art. 104 GG zu beachten.
Grundrechtsträger sind nur natürliche Personen
VI. Religions- und Gewissensfreiheit, Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG
Die Religions- oder Glaubens- bzw. die Gewissensfreiheit ist die Freiheit des einzelnen, Glauben und Gewissen, Religion und Weltanschauung zu bilden, zu haben, zu äußern und entsprechend zu leben.
Aufgabe: Die Gewissensfreiheit bezweckt den Schutz der moralischen
Identität und Integrität des einzelnen. Sie schützt - wie die Glaubensfreiheit - nicht
nur das sog. "forum internum" der Bildung einer Gewissensentscheidung, sondern auch das
Handeln aufgrund dieser, also die Gewissensbetätigung (sog.
"forum externum"). Als Gewissensentscheidung ist dabei "jede ernstliche sittliche, d.h.
an den Kategorien
'Gut' und 'Böse' orientierte Entscheidung anzusehen, die der einzelne in einer bestimmten Lage als
für
sich bindend und unbedingt verpflichtend erfährt, so daß er nicht ohne ernste Gewissensnot
handeln
könnte" (BVerfGE 12, 45 [55] - situationsbedingte Kriegsdienstverweigerung).
VII. Meinungsfreiheit i.e.S., Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GG
Art. 5 Abs. 1 GG umfaßt insgesamt fünf Grundrechte, die man auch als die
Meinungsfreiheit i.w.S. (tw. auch: Kommunikations- und Medienfreiheiten) bezeichnet,
nämlich
- die Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GG, als das Recht, seine Meinung in Wort,
Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten,
- die Informationsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG, als das Recht, sich aus allgemein
zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten,
- die Pressefreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 2 (Var. 1) GG,
- die Freiheit der Rundfunkberichterstattung (Hörfunk und Fernsehfunk; sog.
Rundfunkfreiheit), Art.
5 Abs. 1 S. 2 (Var. 2) GG, und
- die Freiheit der Filmberichterstattung (sog. Filmfreiheit), Art. 5 Abs. 1 S. 2 (Var. 3) GG.
Die Meinungsfreiheit (i.e.S.) gewährleistet jedermann, frei
(d.h. ohne Begründungszwang, staatliche Lenkung, Behinderung oder sonstige
Beeinträchtigung) zu sagen bzw. in sonstiger Weise auszudrücken, was er denkt oder
fühlt.
Der Begriff der "Meinung" ist dabei grundsätzlich weit zu verstehen
und umfaßt neben Werturteilen auch Tatsachenbehauptungen, (jedenfalls) soweit
sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind; nicht geschützt sind bewußt
oder unzweifelhaft unwahre Tatsachenbehauptungen.
Neben der positiven ist auch die negative Meinungsfreiheit (nämlich sich nicht zu
äußern) geschützt. Wenn auch die Freiheit der Meinungsbildung mit geschützt
ist, so unterfällt das Sammeln von Informationen hierzu doch eher der Informations- und
nicht der Meinungsfreiheit.
Aufgabe: Das Grundrecht der Meinungsfreiheit (i.e.S.) wird von dem BVerfG zu den vornehmsten Menschenrechten überhaupt gezählt und als für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung konstituierend angesehen (BVerfGE 7, 198 [208] - Lüth). Daher ist der "Begriff der 'Meinung' ... grundsätzlich weit zu verstehen: Sofern eine Äußerung durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und Meinens geprägt ist, fällt sie in den Schutzbereich des Grundrechts" (BVerfGE 61, 1 [9] - Wahlkampf / CSU: NPD Europas). Umstritten ist allerdings, inwieweit die Meinungsfreiheit neben der Abgabe von Werturteilen (unstr.) auch Tatsachenbehauptungen umfaßt: während das BVerfG Tatsachenbehauptungen nur dann in den Schutzbereich einbezieht, wenn sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind und bewußt und unzweifelhaft unwahre Tatsachenbehauptungen ausnimmt (E 61, 1 [8 f]; 85, 1 [15] - Kritische Bayer-Aktionäre; 90, 241 [249] - Auschwitzlüge; 99, 185 [197] - Scientology; zust. Jarass/Pieroth, GG, Art. 5 Rn 5; Manssen, StaatsR II, Rn 338 ff), wird tw. in der Literatur solch eine Differenzierung abgelehnt (J. Ipsen, StaatsR II, Rn 387 ff, insb. 390; v. Münch, StaatsR II, Rn 361 ff; Pieroth/Schlink, GrundR, Rn 552 ff, insb. 555).
Grundrechtsinhalt: Die Meinungsfreiheit gewährleistet jedermann, frei und
ohne Begründungszwang zu
sagen bzw. in sonstiger Weise auszudrücken, was er denkt oder fühlt. Dies gilt
grundsätzlich unabhängig
davon, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als
"richtig" oder "falsch",
"wertvoll" oder "wertlos", "harmlos" oder "gefährlich" eingeschätzt wird und erfaßt
auch polemische und
übersteigerte sowie sogar beleidigende Äußerungen. Der weit zu verstehende Begriff
der "Meinung" umfaßt neben Werturteilen ("Meinung" i.e.S., nämlich als
Stellungnahme, Dafürhalten) auch Tatsachenbehauptungen (= dem Beweis
zugängliche Äußerungen über vergangene oder gegenwärtige
äußere oder
innere Umstände; sie sind somit wahr oder falsch), jedenfalls soweit sie Voraussetzung für
die Bildung
von Meinungen sind. Nicht geschützt sind nach h.M. aber bewußt oder unzweifelhaft
unwahre Tatsachenbehauptungen (so z.B. die sog. Auschwitz- oder Gaskammerlüge, gegen die -
wie in der Lit. zutreffend eingewandt wird - aber auch im Wege der Schrankenziehung vorgegangen
werden kann, s. etwa v.
Münch, StaatsR II, Rn 408). Bei der Abgrenzung von Werturteilen und
Tatsachenbehauptungen kommt
es auf den objektiven Sinngehalt an, in Überschneidungsfällen ist von einer Meinung
auszugehen; erfaßt
werden auch Fragen (BVerfGE 85, 23 [31]).
Neben der positiven Meinungsfreiheit (also der Freiheit, eine Meinung zu äußern) ist auch
die sog. negative Meinungsfreiheit (eine Meinung nicht zu äußern) geschützt;
keine Meinungsäußerung i.S.d. Art. 5
Abs. 1 GG sind aber Angaben statistischer Art oder auf andere amtliche Befragungen, so daß
Informationseingriffe im Wege der Datenerhebung nicht unter die negative Meinungsfreiheit fallen
(BVerfGE 65, 1 [40 f] - Volkszählung). Die Verpflichtung, eine staatliche Information als
eine solche zu verbreiten,
berührt nicht die Meinungsfreiheit (BVerfGE 95, 173 [182] - Warnhinweise für
Tabakerzeugnisse).
Wenn Art. 5 Abs. 1 GG als geschützte Medien lediglich Wort, Schrift und Bild nennt, so
nur beispielhaft;
geschützt sind alle Formen der Meinungsäußerung und -verbreitung.
Geschützt ist mit der Meinungskundgabe auch die Wahl des Ortes und ihrer Zeit (nicht aber das
"Aufzwingen" einer Meinung). Neben dem Äußern und Verbreiten als
Kundgabeform (beide lassen sich nicht
streng voneinander trennen) ist auch das "Ankommen" der Meinungsäußerung beim
Adressaten geschützt, also daß diese empfangen werden kann.
[BVerfGE 61, 7] »Dieses Grundrecht gewährleistet, ohne
ausdrücklich zwischen "Werturteil" und "Tatsachenbehauptung" zu unterscheiden, jedermann das
Recht, seine Meinung frei zu äußern: Jeder soll frei sagen können, was er
denkt, auch wenn er keine nachprüfbaren Gründe für sein Urteil angibt oder angeben
kann (BVerfGE 42, 163 [170
f.]); zugleich ist es der Sinn von Meinungsäußerungen, geistige Wirkung auf die Umwelt
ausgehen zu lassen,
meinungsbildend und überzeugend zu wirken. Deshalb sind Werturteile, die immer eine geistige
Wirkung erzielen,
nämlich andere überzeugen wollen, vom Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG
geschützt. Der Schutz des Grundrechts bezieht sich in erster Linie auf die eigene Stellungnahme
des Redenden (BVerfGE 7, 198 [210]). Unerheblich
ist, ob seine Äußerung "wertvoll" oder "wertlos", "richtig" oder "falsch", emotional oder
rational begründet ist
(BVerfGE 33, 1 [14 f.]). Handelt es sich im Einzelfall um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf
in einer die
Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, dann spricht die Vermutung für die
Zulässigkeit der freien Rede
(BVerfGE 7, 198 [212]). Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen fallen,
namentlich im öffentlichen Meinungskampf, grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 5
Abs. 1 Satz 1 GG
[BVerfGE 61, 8] (vgl. BVerfGE 54, 129 [139]); die Frage kann nur sein, ob und inwieweit die
Vorschriften der
allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 Abs. 2 GG) hier Grenzen ziehen
können.
Für Tatsachenbehauptungen gilt dies nicht in gleicher Weise. Unrichtige Information ist unter dem
Blickwinkel der
Meinungsfreiheit kein schützenswertes Gut (BVerfGE 54, 208 [219]). Die bewußte
Behauptung unwahrer Tatsachen
ist durch Art. 5 Abs. 1 GG nicht mehr geschützt; gleiches gilt für unrichtige Zitate (BVerfG,
a.a.O.). Im übrigen bedarf
es der Differenzierung, wobei es namentlich darum geht, die Anforderungen an die Wahrheitspflicht
nicht so zu
bemessen, daß darunter die Funktion der Meinungsfreiheit leiden kann (BVerfGE, a.a.O. [219 f.]).
Der Satz, die Vermutung spreche für die Zulässigkeit der freien Rede, gilt infolgedessen
für Tatsachenbehauptungen nur eingeschränkt;
soweit unrichtige Tatsachenbehauptungen nicht schon von vornherein außerhalb des
Schutzbereichs des Art. 5 Abs.
1 Satz 1 GG verbleiben, sind sie Einschränkungen auf Grund von allgemeinen Gesetzen leichter
zugänglich als das
Äußern einer Meinung.
Konstitutiv für die Bestimmung dessen, was als Äußerung einer "Meinung" vom
Schutz des Grundrechts umfaßt wird,
ist mithin das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens, des Meinens im Rahmen einer
geistigen Auseinandersetzung; auf den Wert, die Richtigkeit, die Vernünftigkeit der
Äußerung kommt es nicht an. Die Mitteilung einer
Tatsache ist im strengen Sinne keine Äußerung einer "Meinung", weil ihr jenes Element
fehlt. Durch das Grundrecht
der Meinungsäußerungsfreiheit geschützt ist sie, weil und soweit sie Voraussetzung
der Bildung von Meinungen ist,
welche Art. 5 Abs. 1 GG in seiner Gesamtheit gewährleistet. Was dagegen nicht zur
verfassungsmäßig vorausgesetzten Meinungsbildung beitragen kann, ist nicht
geschützt, insbesondere die erwiesen oder bewußt unwahre Tatsachenbehauptung. Im
Gegensatz zur eigentlichen Äußerung einer Meinung kann es also für den
verfassungsrechtlichen
Schutz
[BVerfGE 61, 9] einer Tatsachenmitteilung auf die Richtigkeit der Mitteilung
ankommen.
Von hier aus ist der Begriff der "Meinung" in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG grundsätzlich weit zu
verstehen: Sofern eine
Äußerung durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens
geprägt ist, fällt sie in den Schutzbereich des Grundrechts. Das muß auch dann gelten,
wenn sich diese Elemente, wie häufig, mit Elementen einer Tatsachenmitteilung oder -behauptung
verbinden oder vermischen, jedenfalls dann, wenn beide sich nicht trennen lassen
und der tatsächliche Gehalt gegenüber der Wertung in den Hintergrund tritt. Würde
in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte
der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit
wesentlich verkürzt werden.« (BVerfGE 61, 1 - Wahlkampf - CSU: NPD
Europas)
Grundrechtsschranken: Art. 5 Abs. 2 GG enthält einen qualifizierten
Gesetzesvorbehalt, nämlich insbesondere des "allgemeinen Gesetzes", daneben der "gesetzlichen
Bestimmungen zum Schutze der Jugend"
und dem "Recht der persönlichen Ehre" (das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG greift insoweit
nicht). Bei der Schrankenziehung ist Art. 5 Abs. 1 S. 3 (Zensurverbot) als eine Schranken-Schranke zu
berücksichtigen.
Allgemeine Gesetze sind solche, die "sich weder gegen die
Meinungsfreiheit an sich noch gegen bestimmte Meinungen richten, sondern dem Schutz eines
schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte
Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen" (st. Rspr. seit BVerfGE 7, 198
[209] - Lüth; 97, 125 [146] -
Caroline von Monaco I), also dem Schutze eines Gemeinschaftswertes, der gegenüber der
Betätigung der
Meinungsfreiheit Vorrang hat (zur Wechselwirkungslehre s.u.). (Der Begriff des allgemeinen Gesetzes
ist somit enger als der eines abstrakt-generell formulierten Gesetzes; die Schranken müssen im
übrigen
nicht durch förmliche Gesetze selbst gezogen werden, sondern auch auf eine formell-gesetzliche
Ermächtigung gestützte andere Rechtsvorschriften in Betracht; Jarass/Pieroth, GG,
Art. 5 Rn 55).
Im Rahmen der Schrankenziehung ist die sog. Wechselwirkungslehre zu beachten: So
können allgemeine
Gesetze nicht beliebig die Meinungsfreiheit i.w.S. einschränken, sie sind ihrerseits "aus der
Erkenntnis
der Bedeutung" dieser Grundrechte "im freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat auszulegen und so in
ihrer diese Grundrechte beschränkenden Wirkung selbst wieder einzuschränken" (st. Rspr.
seit BVerfGE
7, 198 [208 f] - Lüth; 71, 206 [214] - STERN / Gerichtsberichterstattung). Im Rahmen der
Abwägung ist
zu berücksichtigen, ob es sich bei der Meinungsäußerung um einen "Beitrag zum
geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage"
handelt. Dann spricht dies für den Vorrang der Meinungsfreiheit i.w.S. "Anderes kann gelten,
wenn ein solcher Öffentlichkeitsbezug fehlt und
lediglich der Sensation wegen berichtet wird oder Angelegenheiten aus der Privatsphäre eines
Betroffenen ans Licht gezogen werden (vgl. BVerfGE 34, 269 [283] - Soraya); dies wird von der
ratio der besonderen Bedeutung der Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG nicht umfaßt."
(BVerfGE 71, 206 [220] - STERN
/ Gerichtsberichterstattung)
Grundrechtsträger der Meinungsfreiheit i.e.S. sind alle natürlichen Personen
(grundsätzlich auch Minderjährige) sowie juristische Personen des Privatrechts.
VIII. Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG
Die Kunstfreiheit schützt neben der eigentlichen künstlerischen Tätigkeit (sog. Werkbereich) auch die Vermittlung des Kunstwerks an Dritte (sog. Wirkbereich). Geschützt sind alle Formen der Kunstausübung, der verfassungsrechtliche Kunstbegriff ist ein weiter und umfaßt jede freie schöpferische Gestaltung, durch die Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers mit dem Medium einer bestimmten Formensprache zur unmittelbaren Anschauung gebracht werden.
Aufgabe: Sinn und Aufgabe der Kunstfreiheit "ist es vor allem, die auf der Eigengesetzlichkeit der Kunst beruhenden, von ästhetischen Rücksichten bestimmten Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen von jeglicher Ingerenz öffentlicher Gewalt freizuhalten" (BVerfGE 30, 173 [190] - Mephisto). Neben diesem Abwehranspruch beinhaltet Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG die staatliche Verpflichtung zur Pflege und Förderung der Kunst (BVerfGE 81, 108 [116]); die Kunstfreiheit ist lex specialis zu Art. 5 Abs. 1 GG.
Grundrechtsinhalt: Die Freiheit des künstlerischen Schaffensprozesses wird umfassend geschützt und erfaßt neben dem sog. Werkbereich der Kunstausübung (also Erstellen des Kunstwerks, einschließlich der vorbereitenden Handlungen hierzu, z.B. Üben) auch den sog. Wirkbereich, nämlich die Vermittlung der Kunst an Dritte (einschließlich der Werbung dafür), aber nicht mehr die wirtschaftliche Verwertung der Kunstwerke.
Da ein feststehender außerrechtlicher Kunstbegriff als Anknüpfungspunkt fehlt, stellt sich die Aufgabe, einen verfassungsrechtlichen Kunstbegriff zu definieren, d.h. diesen aus der Verfassung selbst zu entwickeln, um so dem Grundrecht (insbesondere als individuellem Freiheitsrecht) und seinen Schranken justitiable Konturen zu geben. Dabei ergibt sich angesichts der Unzulässigkeit inhaltlicher Festlegung (Zensur) und der Notwendigkeit der Offenheit für die Avantgarde das Problem begrifflicher, insbesondere inhaltlicher Definition ohne gleichzeitige Festlegung auf eine bestimmte Kunstrichtung oder -auffassung. Im Hinblick auf das Verbot einer Inhaltskontrolle und das Erfordernis, alle Kunst - neben der höheren die niedrige (bzw. naive), neben der guten auch die schlechte Kunst - an dem grundrechtlichen Schutz künstlerischer Freiheit teilhaben zu lassen, erweist sich alsbald eine generelle Definition der Kunst als unmöglich. Hieraus ein verfassungsrechtliches Verbot der Definition der Kunst abzuleiten, wäre jedoch falsch. Es erwiese sich im Hinblick auf die erforderliche Schrankenziehung - da letztlich für die Kunst nachteilig - als zweifelhaft und vermochte auch aus dogmatischen Gründen nicht zu überzeugen. Wenn hiernach im Einzelfall eine inhaltliche Grenzziehung zu versuchen ist, dann auf der Grundlage eines weiten Kunstbegriffs, der etwa auch Aktionskunst, politische Kunst, Satire und ggf. sogar Pornographie umfaßt. Dabei wird - ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - überwiegend auf folgende Definitionsansätze zurückgegriffen (dazu Pieroth/Schlink, Grundrechte, 20. Aufl. 2004, Rn 610-613):
Schrankenziehung: Die Kunstfreiheit ist nach Art. 5 Abs. 3 GG ein vorbehaltlos gewährleistetes, sog. absolutes Grundrecht. Da sich aber Konflikte zwischen der Kunstfreiheit und anderen, ihr widerstreitenden Verfassungsgütern ergeben können, die, jedenfalls in sozialverträglicher Weise, nicht stets zugunsten der Kunst entschieden werden können, müssen diese Konflikte im Einzelfall gelöst werden, und zwar "nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung und unter Berücksichtigung der Einheit dieses grundlegenden Wertsystems durch Verfassungsauslegung" (BVerfGE 30, 173 [193] - Mephisto). Dabei ist wie folgt vorzugehen: Zunächst ist, insbesondere bei Vieldeutigkeit des Kunstwerks, eine Interpretation des Kunstwerks verfassungsrechtlich geboten (Gesamtschau des Werks unter Berücksichtigung des künstlerischen Gesamtkonzepts), erst dann sind die Schranken zu bestimmen. Hierbei werden folgende Ansätze zur Schrankenbestimmung diskutiert (zum Ganzen: I. v. Münch, StaatsR II, 5. Aufl. 2002, Rn 226-232, 269-273, 421 f; J. Ipsen, StaatsR II, 6. Aufl. 2003, Rn 482 ff):
Ausgehend von der h.M. ist somit bei Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG eine Grundrechtsbeschränkung durch Güterabwägung/Herstellung praktischer Konkordanz vorzunehmen (s.o. 14.II). Diese gestaltet sich schon deshalb mitunter schwierig, da dem Grundgesetz eine eigene Normenhierarchie fehlt (Ausnahme: Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG; auch das Leben stellt nur einen Höchstwert - etwa neben der Freiheit - dar, BVerfGE 39, 1 [43] - Fristenlösung; 46, 160 [164] - Schleyer). Selbstredend muß bei solcher Schrankenziehung die sog. Wesensgehaltsgarantie (Art. 19 Abs. 2 GG) beachtet werden.
Grundrechtsträger ist zunächst der "Künstler" (also eine
natürliche Person), daneben aber jeder Mittler
der Kunst, dessen Tätigkeit Voraussetzung dafür ist, daß sich Kunst entfalten kann,
insbesondere ihr
Publikum findet (so z.B. der Verleger, Schallplattenhersteller, Filmproduzent). Insoweit ist die
Kunstfreiheit auch auf juristische Personen (des Privatrechts) anwendbar, wenn diese zur Entstehung
oder
Verbreitung von Kunstwerken beitragen (BVerfGE 81, 278 [292]); ferner sind Träger der
Kunstfreiheit
die (staatlichen) Kunst- und Musikhochschulen sowie die in staatlichen Kunsteinrichtungen
künstlerisch
tätigen Personen. Kein Grundrechtsträger ist der bloße Kunstkonsument.
IX. Schutz von Ehe und Familie, Art. 6 Abs. 1 GG
Das geschützte Verhalten reicht von der Eheschließung über das eheliche Zusammenleben einschließlich der Entscheidung der Eltern, wann und wieviele Kinder sie haben wollen, bis zur Ehescheidung und teilweise noch darüber hinaus (Jarass/Pieroth, GG, Art. 6 Rn 3). Ehe meint dabei die (verweltlichte) bürgerlich-rechtliche Ehe, die in den vorgeschriebenen Formen geschlossen wird (BVerfGE 53, 224 [245] - Ehescheidung).
Auch der Familienbegriff knüpft an das bürgerlich-rechtliche Institut der
Familie an ("umfassende Gemeinschaft zwischen Eltern und Kindern", BVerfGE 10, 59
[66] - Stichentscheid). Geschützt ist die Familiengründung bis in alle Bereiche des
familiären Zusammenlebens, insbesondere nach innen, aber
(eingeschränkt) auch nach außen (vgl. BVerfGE 80, 81 [92] -
Ausländeradoption)
X. Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG
Versammlung ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer
Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung
gerichteten Erörterung oder Kundgebung (die Abgrenzung zur sog. Ansammlung erfolgt
über den gemeinsamen Zweck und die innere Verbindung der beteiligten Personen).
Friedlich ist eine Versammlung, die keinen gewalttätigen oder aufrührerischen
Verlauf nimmt (vgl. § 5
Nr. 3 VersG). Waffen sind neben den Waffen i.S.d. Waffengesetzes bzw.
Kriegswaffenkontrollgesetzes
auch alle sonstigen Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen oder zur
Beschädigung
von Sachen objektiv geeignet und allgemein oder subjektiv durch den Inhaber bestimmt sind (vgl. §
2 Abs. 3 S. 1 VersG).
Spontanversammlungen sind Versammlungen, die sich aus einem
momentanen, aktuellen Anlaß ungeplant und ohne Leiter
entwickeln. Eilversammlungen sind zwar geplant und haben einen Veranstalter, können
aber ohne Gefährdung des Demonstrationszwecks nicht unter Einhaltung der Frist des § 14
VersG angemeldet werden.
Aufgabe: Die Versammlungsfreiheit ergänzt das Recht der freien
Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), ggf. bei religiöser
Veranstaltung die Religionsfreiheit (Art. 4 GG) und
soweit der Veranstalter eine Vereinigung ist, die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG) oder auch bei einer
Partei deren Mitwirkung an der demokratischen Willensbildung (Art. 21 GG); die Versammlungsfreiheit
gehört zusammen mit der Meinungsfreiheit "zu den unentbehrlichen und grundlegenden
Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens" (BVerfGE 69, 315 [344 f] -
Brokdorf).
Die Versammlungsfreiheit ist Abwehrrecht (und begründet insbesondere keinen
Leistungsanspruch auf Überlassung eines bestimmten [öffentlichen]
Grundstücks).
Grundrechtsinhalt: Versammlung ist eine "Zusammenkunft von mehreren Personen
mit gemeinsamem Zweck und innerer Verbindung" (BVerwGE 82, 34 [38]), wobei str. ist, ob
bereits zwei (wohl h.L., Herzog in: Maunz/Dürig, GG, Art. 8 Rn 48;
Jarass/Pieroth, GG, Art. 8 Rn 3; Pieroth/Schlink, GrundR, Rn
695) oder erst drei (BayObLG, NJW 1979, 1985; v. Münch, StaatsR II, Rn 458)
Personen als Mindestteilnehmerzahl zu fordern sind. Die Abgrenzung zur sog. Ansammlung
erfolgt über den "gemeinsamen
Zweck und die innere Verbindung" der beteiligten Personen; keine Versammlung, sondern eine
bloße
Ansammlung bilden etwa die Besucher von reinen Unterhaltungsveranstaltungen (BVerfG, NJW
2001, 2459 - Love-Parade).
Umstritten ist, ob der Versammlungsbegriff bestimmte Versammlungszwecke voraussetzt:
Während Art. 8 Abs. 1 GG das Recht gewährleistet, sich "ohne
Anmeldung oder Erlaubnis" zu versammeln, sieht § 14
Abs. 1 VersG eine Anmeldepflicht (48
Stunden vor Beginn der Versammlung) vor (zu dem hieraus sich ergebenden Problem
der Verfassungsgemäßheit des § 14 VersG siehe unten bei der Schrankenziehung).
Nach h.M. zählt die Anmeldefreiheit zum
materiellen Kern der Versammlungsfreiheit, so daß die Anmeldepflicht keinen echten
Genehmigungsvorbehalt begründen,
sondern nur dazu dienen kann, Vorkehrungen für den ungehinderten Ablauf der Versammlung und
Störungen bzw. Gefährdungen für andere weitgehend zu vermeiden; die fehlende
Anmeldung ist somit für sich kein Auflösungsgrund (BVerfGE 69,
315 [350] - Brokdorf). § 14 Abs. 1 VersG (und damit auch § 26 Nr. 2 VersG) ist daher bei sog.
Spontan- und Eilversammlungen verfassungskonform auszulegen:
Für sog. Spontanversammlungen, "die sich aus aktuellem Anlaß heraus
augenblicklich bilden", gelten deshalb die Regelungen des VersG insoweit nicht, als "der mit der
Spontanversammlung verfolgte Zweck bei Einhaltung dieser Vorschrift nicht
erreicht werden könnte" (BVerfGE 69, 315 [351] - Brokdorf); dies gilt für die
Anmeldung als auch für die Leitung der Versammlung (als Versammlungsleiter gilt, wer die
Funktion eines solchen erkennbar übernimmt und von der Versammlung als
Leiter anerkannt wird). Damit entfällt insoweit auch eine Strafbarkeit aus § 26 Nr. 2
VersG.
Zwischen der normalen Versammlung und der Spontanversammlung steht die sog.
Eilversammlung, die aus plötzlich eintretendem, aktuellem Anlaß
kurzfristig anberaumt wird. Im Gegensatz zur Spontanversammlung ist sie also geplant, hat einen
Leiter, allerdings kann ohne Gefährdung des Demonstrationszwecks die Anmeldefrist nicht
gewahrt werden und verkürzt sich
insofern (daher unverzüglich anzumelden, sobald hierzu die Möglichkeit besteht;
BVerfGE 85, 89 = NJW 1992, 890 [891] -
Eilversammlung). Damit entfällt eine Strafbarkeit nach § 26 Nr. 2 VersG nur, soweit die
Anmeldefrist unterschritten wird
(nach BVerfGE 85, 69 [76] liegt kein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des Art.
103 Abs. 2 GG vor).
Geschützt ist nur das friedliche Versammeln ohne Waffen (grundrechtsimmanente Schranken):
Friedlich heißt: nicht gewalttätig, wobei dem ein eigenständiger
verfassungsrechtlicher Gewaltbegriff
zugrunde liegt; nicht bereits jeder Rechtsverstoß (übrigens auch nicht jede Straftat) macht
die Versammlung unfriedlich (da ansonsten der Gesetzesvorbehalt des Abs. 2 unnötig
wäre). Meist wird in Anlehnung
an § 5 Nr. 3 VersG definiert, friedlich ist eine Versammlung, die keinen gewalttätigen
oder aufrührerischen Verlauf nimmt.
Wer an der Versammlung teilnimmt, um diese zu verhindern oder zu sprengen,
handelt nicht friedlich; eine Teilnahme
an einer Versammlung mit kritischen Beiträgen oder sogar durch Kundgabe abweichender
Meinungen unterfällt aber
durchaus dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit (vgl. BVerfGE 92, 191 [202] und stellt
nicht ohne weiteres
eine - ungenehmigte - "Gegenversammlung" dar). Das unfriedliche Verhalten einzelner
beeinträchtigt die Friedlichkeit
der Versammlung insgesamt nicht (BVerfGE 69, 315 [359] - Brokdorf).
Waffen sind neben den Waffen im technischen Sinne auch die Waffen im untechnischen
Sinne:
Grundrechtsschranken (qualifizierte Gesetzesvorbehalte in Artt. 8 Abs. 2, 17a Abs. 1 GG):
Das Versammlungsgesetz differenziert zudem zwischen öffentlichen (s. § 1 Abs. 1 VersG) und nichtöffentlichen Versammlungen (die - abgesehen von §§ 3, 21, 28, 30 VersG - nicht dem Versammlungsgesetz unterfallen); insofern kommt es auf die für jedermann bestehende oder nicht bestehende Zugänglichkeit an.
Grundrechtskonkurrenzen: Art. 8 Abs. 1 GG schützt nur versammlungsspezifische Tätigkeiten (insbesondere die Veranstaltung und ihre Organisation), darüber hinausgehende Tätigkeiten der versammelten Personen werden (allein) durch die dafür einschlägigen Grundrechte geschützt, etwa gemeinsame Meinungsäußerungen durch Art. 5 Abs. 1 u. 2 GG, bei künstlerischer Betätigung Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG.
Grundrechtsträger sind alle Deutschen (abw. Art. 23 SächsVerf, dort
Jedermannrecht, ebenso Art. 11
EMRK; § 1 Abs. 1 VersG gewährleistet jedermann das Recht, "öffentliche [!]
Versammlungen und Aufzüge zu veranstalten und
an solchen Veranstaltungen teilzunehmen"; Grundrechtsträger sind auch juristische Personen des
Privatrechts (s.
Art. 19 Abs. 3 GG, also auch nicht-rechtsfähige Vereinigungen), soweit sie Veranstalter von
Versammlungen sind.
Ausländer können sich (allein) auf Art. 2 Abs. 1GG berufen; zur Beschränkung
politischer Betätigung von Ausländern s. § 37
AuslG (siehe aber auch Artt. 11, 16 EMRK)
XI. Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, Art. 10 GG
Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis
schützt die Vertraulichkeit individueller Kommunikation vor Gefahren, die aus
dem zur Überwindung der räumlichen Distanz zwischen den Kommunikanten
gewählten Übermittlungsvorgang einschließlich
der Einschaltung fremder Übermittler entstehen (unerheblich ist, welche Einrichtung die
Übermittlung vornimmt, etwa eine
staatliche oder private Stelle):
Das Briefgeheimnis schützt die Vertraulichkeit von Sendungen mit individuellen
schriftlichen Mitteilungen
und das Postgeheimnis die körperliche Übermittlung von Informationen und
Kleingütern durch sog.
Postdienstleister (Brief- und Postgeheimnis überschneiden sich somit in
erheblichem Umfang).
Das Fernmeldegeheimnis schützt die unkörperliche Übermittlung von
Informationen durch das Fernmeldewesen (= Telekommunikation; m.a.W.: Gegenstand des
Fernmeldegeheimnisses ist die gesamte,
Inhalte und Daten umfassende individuelle Kommunikation über das Medium drahtloser oder
drahtgebundener elektromagnetischer Wellen).
Geschützt sind jeweils neben dem Inhalt auch die näheren Umstände (das "Ob, Wann,
Wie und Wo") der Kommunikation (z.B. die Verbindungsdaten bei der
Telekommunikation).
Aufgabe: Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis schützt (als
einheitliches Grundrecht, str.) die Vertraulichkeit individueller Kommunikation, soweit der
Kommunikationsinhalt körperlich (insbesondere
schriftlich) oder im Wege der Telekommunikation (= unkörperlich) übertragen wird, und
zwar vor Gefahren, die aus dem zur Überwindung der räumlichen Distanz zwischen den
Kommunikanten gewählten
Übermittlungsvorgang einschließlich der Einschaltung fremder Übermittler entstehen
(nicht aber das
Vertrauen der Kommunikationspartner zueinander, dies unterfällt dem Schutz des Allgemeinen
Persönlichkeitsrechts aus Artt. 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 GG [so wenn ein Gesprächspartner
in seinem Einfluß-
und Verantwortungsbereich einem Dritten den Zugriff auf die Telekommunikationseinrichtung - etwa
durch Mithören - ermöglicht]); BVerfGE 106, 28 (36 ff.) = NJW 2002, 3619 (3620
f.).
Geschützt sind neben dem Inhalt auch die näheren Umstände (= Art und Weise) der
Kommunikation, allerdings nur, soweit diese überhaupt auf Kommunikationsinhalte beziehbar
sind. Erfaßt sind somit also auch Ort, Zeit etc. der Telekommunikation, d.h. die sog.
Verbindungsdaten bei, soweit ein Kommunikationsvorgang erfolgte bzw. herzustellen versucht
wurde; BVerfG, NJW 2006, 976 [978] - Verbindungsdaten II; nicht aber bei die bloße
technischen Kommunikation zwischen Geräten (BVerfG, NJW 2007,
351 [353 f] - IMSI-Catcher).
Art. 10 GG hat mit der Privatisierung der Deutschen Bundespost (s. Artt, 87f Abs. 2 S. 1; 143b GG)
einen Bedeutungswandel erfahren, der auch zur inhaltlichen Neubestimmung führte: Zuvor waren
Brief-
und Postgeheimnis dahingehend abgegrenzt worden, daß das Briefgeheimnis die nicht
durch die Post,
sondern durch Kurierdienste beförderten bzw. auf dem Weg zur Post befindlichen Briefe, das
Postgeheimnis alle Postsachen (auch Briefe) schütze, die durch die Post übermittelt
werden, sich also auf dem
Postweg befinden. Zugleich ist infolge der Privatisierung die Abwehrfunktion des Grundrechts
gegenüber
der Schutzfunktion in den Hintergrund getreten (daneben enthält Art. 10 GG ein objektives
Prinzip),
wobei der Gesetzgeber der staatliche Schutzpflicht v.a. durch §§ 201, 202, 202a, 206 n.F.
StGB; 39
PostG, § 85 TKG nachgekommen ist. Dem durch Art. 10 GG geschützten Grundrecht der
Freiheit privater Kommunikation (nach außen) kommt verfassungsrechtlich ein hoher Stellenwert
zu.
Grundrechtsinhalt(e):
- Das Briefgeheimnis schützt die Vertraulichkeit von Sendungen mit individuellen schriftlichen Mitteilungen, auch solche in unverschlossenen Sendungen (BVerwGE 113, 208 [210], str.); der Begriff "Brief" ist untechnisch zu verstehen und erfaßt etwa auch Postkarten, Telegramme und Drucksachen. (Beachte, bei verschlossenen Sendungen reicht die Möglichkeit, daß sie individuelle schriftliche Mitteilungen befördern können, für ein Unterfallen in den Schutzbereich aus.)
- Das Postgeheimnis (s.a. § 39 PostG) schützt die Erbringung von Postdienstleistungen (vgl. § 4 Nr. 1 PostG; mit anderen Worten: postalisch [i.w.S.] beförderte Sendungen), also die körperliche Übermittlung von Informationen und Kleingütern in einem standardisierten und auf massenhaften Verkehr angelegten Transportnetz mit festgelegten Gewichtsgrenzen; erfaßt werden insbesondere Briefe, Päckchen, Pakete und Warenproben. Es beginnt mit der Einlieferung bei dem Postdienst und endet mit der Ablieferung bei dem Empfänger, geschützt sind auch im Postfach eingelegte Sendungen (BVerwGE 79, 110 [115]).
- Das Fernmeldegeheimnis (s.a. § 85 TKG) schützt die unkörperliche Übermittlung von Informationen durch das Fernmeldewesen (= Telekommunikation, vgl. § 3 Nr. 16 u. 17 TKG), wobei das Grundrecht entwicklungsoffen ist und beliebige elektromagnetische und andere unkörperliche Formen der Übermittlung umfaßt, sei es durch Kabel oder Funk, durch analoge oder digitale Vermittlung, durch optische oder akustische Signale; erfaßt sind der Telefon-, Telefax-, Telegramm- und Fernschreibverkehr, auch Computernetze, insbesondere das Internet. Der Schutz erstreckt sich nach neuer Rspr. über das sog. "Steckerprinzip" hinaus auch auf Endgeräte, soweit es um grundrechtsspezifische Beeinträchtigungen geht, insbesondere wenn die Leistungen des Endgeräts untrennbar mit dem Übermittlungsvorgang verbunden sind (Jarass/Pieroth, GG, Art. 10 Rn 5 im Anschluß an BVerfGE 106, 28 [37 f.], dort wird als Beispiel ein am Endgerät angebrachtes und genutztes Abhörgerät angeführt).
Unerheblich ist jeweils, welche Einrichtung die Übermittlung vornimmt, etwa eine staatliche oder private Stelle (Jarass/Pieroth, GG, Art. 10 Rn 7; für das Postgeheimnis str.).
Grundrechtskonkurrenzen: Art. 10 ist lex specialis gegenüber Artt. 2 Abs. 1 (auch i.V.m. 1 Abs. 1 GG; s.o.), ebenso tritt Art. 5 Abs. 1 GG zurück.
Grundrechtsschranken: Art. 10 Abs. 2 GG enthält in S. 1 einen einfachen Gesetzesvorbehalt, der in S. 2 insofern erweitert wird, als eine Benachrichtigung des Betroffenen von der Überwachungs- und Abhörmaßnahme unterbleiben kann und der Rechtsweg durch eine parlamentarische Kontrollinstanz ersetzt wird (i.e. siehe Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses [G 10]; dazu BVerfGE 30, 1 - Abhörurteil; 67, 157 - G 10 I; 100, 313 - G10 II); es gilt das Zitiergebot (Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG).
Grundrechtsträger: jedermann, auch juristische Personen des Privatrechts
XII. Freizügigkeit, Art. 11 GG
Freizügigkeit bedeutet die Freiheit (jedes Deutschen), an
jedem beliebigen Ort innerhalb des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, auch zu diesem
Zweck in das Bundesgebiet einzureisen
(bzw. einzuwandern).
Aufenthalt ist das vorübergehende Verweilen an einem Ort.
Wohnsitz ist die ständige Niederlassung an einem Ort.
Die Einreise verfolgt den Zweck des Aufenthalts,
die Einwanderung den der Wohnsitznahme (entsprechendes gilt für die Ausreise bzw.
Auswanderung).
Beachte: Nach h.M. unterfallen Ausreise bzw. Auswanderung hingegen
dem Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG.
Hinweis: Die Abgrenzung der Schutzbereiche der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2
i.V.m. Art. 104 GG) und der Freizügigkeit (hier der freien Wahl des Aufenthaltsortes ) ist
umstritten,
überwiegend wird bei der Freizügigkeit zumindest eine ausreichende Bedeutung des
Aufenthalts oder eine gewisse Dauer gefordert.
Grundrechtsinhalt: Zu der umstrittenen Abgrenzung des Schutzbereichs gegenüber jenem der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) siehe dort. Zu der hier verwendeten Definition des BVerfG s. E 2, 266 (273) - Notaufnahme.
Grundrechtsschranken ergeben sich aus dem qualifizierten Schrankenvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG; s.a. Art. 17a Abs. 2 GG; es gilt das Zitiergebot (Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG)
Grundrechtsträger sind alle Deutschen (i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG), auch
inländische juristische Personen
des Privatrechts; für Unionsbürger siehe Artt. 39 ff EGV.
XIII. Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. 13 Abs. 1 GG
Die Unverletzlichkeit der Wohnung schützt die
räumliche Privatsphäre des einzelnen als elementaren Lebensraum, in dem dieser ein Recht
darauf hat, in Ruhe gelassen zu werden.
Eine Wohnung sind dabei alle Räume, die der allgemeinen Zugänglichkeit durch
eine räumliche Abschottung entzogen und zur Stätte privaten Lebens und Wirkens gemacht
sind; nach h.M. sind auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume geschützt, soweit
und solange sie nicht öffentlich zugänglich sind.
Aufgabe der Unverletzlichkeit der Wohnung ist im Zusammenhang mit dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit der Schutz der Privatheit der Wohnung als einem "elementaren Lebensraum" (einer "räumlichen Sphäre, in der sich das Privatleben entfaltet"), in dem der einzelne das "Recht hat, in Ruhe gelassen zu werden" (BVerfGE 32, 54 [75] - Betriebsbetretungsrecht); Abwehrrecht (kein "Recht auf Wohnung").
Grundrechtsinhalt ist der Schutz der räumlichen Privatsphäre. Wohnung sind "alle Räume, die der allgemeinen Zugänglichkeit durch eine räumliche Abschottung entzogen und zur Stätte privaten Lebens und Wirkens gemacht sind" (BGHSt 44, 138 [140]), neben der Wohnung i.e.S. auch die zur Wohnung gehörenden Nebenräume (wie Keller, Böden, abgeschlossene Höfe, Vorgärten), Gast- und Hotelzimmer, Zimmer in Studentenwohnheimen oder Altersheimen, Schlafkoje in Lkw (nicht: Autos, Räume von Häftlingen); weiterhin werden nach ganz h.M. auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume erfaßt, soweit und solange sie nicht öffentlich zugänglich sind (BVerfGE 32, 54 - Betriebsbetretungsrecht).
Grundrechtskonkurrenzen: Art. 13 GG ist lex specialis gegenüber dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, NJW 2004, 999 [1005] - Großer Lauschangriff)
Grundrechtseingriffe: u.a. durch Betreten (ohne Einwilligung!), Durchsuchen (Abs. 2), Überwachung von Vorgängen in einer Wohnung - auch von außen - mit technischen Mitteln (zum sog. Lauschangriff s. Abs. 3-5 und ferner BVerfG, NJW 2004, 999 - Großer Lauschangriff; der sog. Videoangriff ist nach h.M. unzulässig)
Grundrechtsschranken: siehe i.e. die (qualifizierten) Gesetzesvorbehalte in Abs. 2 (hierzu: §§ 102 ff StPO, § 25 sächs PolG), Abs. 3 bis 5 (hierzu: §§ 100c ff StPO, § 40 sächs PolG) und in Abs. 7; es gilt das Zitiergebot (Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG) - zum Richtervorbehalt bei der Durchsuchung und dem Begriff "Gefahr im Verzug" s. BVerfGE 103, 142.
Grundrechtsträger: jedermann (ausreichend ist der unmittelbare Besitz [str., ob
dieser berechtigt sein
muß], unabhängig von den Eigentumsverhältnissen), auch juristische Personen des
Privatrechts
XIV. Gewährleistung des Eigentums, Art. 14 Abs. 1 GG
Unter den (Bestands-)Schutz der Eigentumsgarantie fallen
grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung
in der Weise zugeordnet sind, daß er die damit verbundenen Befugnisse nach eigener Entscheidung
zu seinem privaten Nutzen ausüben darf.
Eigentumsfähige Position ist jedes vom Gesetzgeber gewährte konkrete
vermögenswerte Recht, jedenfalls wenn es durch
Entfaltung des Leistungswillens entstanden ist; neben privatrechtlichen Positionen können dies
auch solche des öffentlichen
Rechts sein, soweit diese dem einzelnen eine Rechtsposition vergleichbar derjenigen des
Eigentümers verschaffen.
Beachte, der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff geht damit über den zivilrechtlichen Begriff des Eigentums hinaus und umfaßt u.a. auch alle anderen dinglichen Rechte (einschließlich der daraus abzuleitenden Nutzungsbefugnisse), Ansprüche und Forderungen des privaten Rechts sowie das Besitzrecht des Mieters.
Grundrechtsinhalt: Eigentumsfähige Position ist jedes vom Gesetzgeber gewährte konkrete vermögenswerte Recht, jedenfalls wenn es durch Entfaltung des Leistungswillens entstanden ist (Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn 7). Das Eigentum umfaßt "im Bereich des Privatrechts alle vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten [zu einem bestimmten Zeitpunkt] von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, daß er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf" (BVerfGE 83, 201 [209] - Vorkaufsrecht). Neben diesen privatrechtlichen Positionen können dies auch solche des öffentlichen Rechts sein, soweit diese dem einzelnen eine Rechtsposition vergleichbar derjenigen des Eigentümers verschaffen (vgl. BVerfGE 53, 257 [289 f] - Versorgungsausgleich).
[BVerfGE 95, 300]
»Unter den Schutz der Eigentumsgarantie fallen grundsätzlich alle vermögenswerten
Rechte, die
dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, daß er die damit
verbundenen Befugnisse
nach eigener Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf (vgl. BVerfGE 83, 201 [209];
stRspr). Der
verfassungsrechtliche Eigentumsschutz reicht damit zwar erheblich weiter als das zivilrechtliche
Eigentum und
erstreckt sich auch auf nicht dingliche vermögenswerte Rechtspositionen. Er bleibt aber an
Rechtspositionen
gebunden. Kein Eigentum im Sinn von Art.14 Abs.1 GG ist daher das Vermögen, das selber kein
Recht, sondern den
Inbegriff aller geldwerten Güter einer Person darstellt (vgl. BVerfGE 4, 7 [17]; stRspr).
Daraus folgt, daß Art.14 Abs.1 GG nicht vor der staatlichen Auferlegung von
Geldleistungspflichten schützt. Diese
sind nicht mittels eines bestimmten Eigentumsobjekts zu erfüllen, sondern werden aus dem
fluktuierenden Vermögen
bestritten. Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen
übermäßig
belasten und seine Vermögensverhältnisse so grundlegend beeinträchtigen, daß
sie eine erdrosselnde Wirkung haben
(vgl. BVerfGE 78, 232 [243]; stRspr).« (BVerfGE 95, 267 - Altschulden
LPG)